Kultur der Viktimisierung

»Awareness« ist das Gegenteil kämpferischer linker Politik. Ein Diskussionsbeitrag

In politischen Bewegungen, auf Kultur- und anderen Veranstaltungen der außerparlamentarischen Linken und »alternativen« Szene, aber auch in immer mehr Clubs und Partylocations gehört »Awareness« heute zum festen Bestandteil der Organisation und des Selbstverständnisses: Ein möglichst achtsamer und diskriminierungssensibler Umgang miteinander, so der Grundgedanke des Konzepts, soll grenzüberschreitendes Verhalten verhindern und ein respektvolles, inklusives Miteinander schaffen.[1] Es geht also um Bewusstseinsbildung (engl. »to be aware«), Hilfe für Betroffene und darum, »Machtverhältnisse zu reflektieren«, Aufmerksamkeit für Grenzverletzungen, Übergriffe und »alle Formen struktureller Diskriminierung«[2] zu erzeugen und für diese zu sensibilisieren, wie etwa das »Awareness«-Kollektiv b-aware aus Berlin schreibt.

»Awareness« dient also in erster Linie der Unterstützung in konkreten Situationen. Zugleich ist sie in der Regel aber auch Ausdruck und Bestandteil eines Politikverständnisses, in dem die Veränderung der Gesellschaft zentral als eine des Subjekts und des individuellen Verhaltens gedacht wird. Entsprechend populär ist das Konzept bei Institutionen und politisch Aktiven, die im weitesten Sinne liberal, identitätspolitisch und intersektionalistisch ausgerichtet sind: Gesellschaft wird dann meist als Nebeneinander diskriminierender Macht- und Herrschaftsverhältnisse verstanden, die uns alle prägen und vor allem durch unser Handeln und Verhalten zustande kommen. »Awareness« soll dazu beitragen, dieses zu verändern, Privilegien zu reflektieren und Diversität zu fördern.

Parteiisch für die Betroffenen

Konkret nimmt das unterschiedliche Formen an: Während es an manchen Orten feste »Awareness«-Beauftragte gibt, etwa in einigen Studierendenvertretungen oder Teilen der Grünen Jugend, sind bei Partys oder politischen Veranstaltungen wie Bündnistreffen oder Kongressen oft sogenannte »Awareness«-Teams im Einsatz, die im Bedarfsfall bereitstehen oder sich eigenständig einschalten, wenn inakzeptables Verhalten beobachtet wird. Auch auf dem letzten Bundesparteitag der Partei DIE LINKE zum Beispiel war ein »Awareness«-Team vor Ort, um »Betroffenen von Diskriminierung und persönlichen Grenzüberschreitungen« beizustehen und »im Interesse dieser Betroffenen zu handeln«[3], wie es im Konzeptpapier hieß. Was das konkret bedeutet, sieht von Fall zu Fall verschieden aus – denn grundsätzlich gilt: »Grenzüberschreitendes Verhalten ist eine Sache subjektiver Wahrnehmung Betroffener oder von Beobachter*innen.«[4] Jedoch dienen »Awareness«-Teams dabei nicht der Streitschlichtung oder Vermittlung, sondern sollen parteiisch im Sinne der Betroffenen agieren (wobei einige Ansätze der »Transformative Justice« zur Aufarbeitung von Fehlverhalten auch diejenigen einbeziehen, die sich übergriffig verhalten haben). In der Regel wird dann zum Beginn einer Veranstaltung oder am Einlass des Veranstaltungsortes auf die Präsenz eines »Awareness«-Teams hingewiesen und betont, dass von allen Beteiligten respektvolles Verhalten erwartet wird.

Klingt erst einmal gut, oder? Denn dass es auf Partys regelmäßig zu übergriffigem Verhalten kommt, vor allem gegenüber Frauen, ist leider eine Tatsache. Und generell ist gerade die Linke gefordert, auf die von Verrohung und Brutalität geprägte Kultur des heutigen Kapitalismus mit einer zu reagieren, die Selbstreflexion, Empathie und Solidarität stärkt – Gesellschaftsveränderung und Selbstveränderung gehören schließlich zusammen. Man könnte also meinen, wer etwas an »Awareness« auszusetzen hat, sei eben unreflektiert, blind für grenzüberschreitendes Verhalten oder wolle einer rücksichtslosen Hahnenkampf-Kultur das Wort reden.

So simpel ist es aber nicht. Dass wir als Linke eine möglichst inklusive und respektvolle, demokratische Organisationskultur brauchen, ist unstrittig. Aber sowohl die Umsetzung als auch die Kultur rund um »Awareness« zeigt immer wieder, dass das Konzept Probleme mit sich bringt. Dessen naturgemäß informeller Charakter (»Awareness«-Arbeit und die Erfahrungen mit ihr werden kaum offiziell evaluiert oder dokumentiert) bringt es mit sich, dass viele dieser Probleme hier nicht im Detail belegt werden können. Die folgenden Ausführungen gründen jedoch auf Erfahrungen und Diskussionen rund um politische Arbeit der vergangenen Jahre.

Grenzen und Parteilichkeit

Die Probleme fangen mit der basalen und bekannten Tatsache an, dass die Vorstellungen, was zum Beispiel »dominantes« oder grenzüberschreitendes Redeverhalten ist und was nicht, sehr unterschiedlich sind: Was für die einen leidenschaftlicher Streit und der sprichwörtliche Eifer des Gefechts ist, wirkt auf andere schon einschüchternd – ein Umstand, der sehr viel mit dem sozialen Hintergrund und Habitus der Beteiligten sowie den Verhaltenscodes aktivistischer Kultur und der Klassenzusammensetzung der politischen Szene zu tun hat. Ähnliches gilt für das Verhalten in Clubs und auf Partys: Wann wird ein Flirt als aufdringlich empfunden, wann ein Blick als »Anstarren«, welche Berührung und welcher Kuss als unangebracht? Von den offensichtlichen Fällen abgesehen, ist das auch den Beteiligten selbst gar nicht immer sofort klar.

Der Punkt ist dabei nicht, dass es eines einheitlichen Katalogs zur glasklaren Einteilung bedürfe – es liegt auf der Hand, dass das nicht geht, weil Grenzen nun einmal individuell sind. Die Probleme beginnen mit der erklärten Parteilichkeit, mit der »Awareness« ausgeübt wird: Es soll strikt im Interesse der Benachteiligten, nicht im Sinne derer, die sich unsensibel verhalten, gehandelt werden. Und so abstrakt klingt das schön und gut. In konkreten Fällen, in denen Grenzen aber eben nicht eindeutig sind, sind die Dinge komplizierter: Es gibt Situationen, in denen Menschen mit ihrem Auftreten, Redeverhalten und Handeln subjektiv nichts Böses im Sinn haben, womöglich weil sie eine andere Debatten- oder Feierkultur gewohnt sind, und dann verstört sind, wenn ihnen angebliches Fehlverhalten attestiert wird. Die Eindeutigkeit, die »Awareness« verlangt, wird dann zum Problem, weil ein Verhalten mit Vorwürfen belegt und sanktioniert wird, das subjektiv ganz verschieden gedeutet wird. Zur Eskalation trägt dann erfahrungsgemäß zusätzlich bei, wenn den Beschuldigten keine Möglichkeit gegeben wird, sich gegen Vorwürfe zu verteidigen – man will ja parteiisch im Interesse der Betroffenen handeln! –, oder die Bereitschaft, das vermeintliche Fehlverhalten einzugestehen, sogar zur Bedingung für die weitere Auseinandersetzung gemacht wird. Dass solche Szenarien sich dann immer wieder destruktiv entwickeln (wozu auch beitragen dürfte, dass »Awareness«-Teams in der Regel aus Menschen bestehen, die keinerlei professionelle Qualifikation für den Umgang mit traumatisierenden oder anderweitig sensiblen Situationen besitzen), ist nicht verwunderlich.

Das ist nun freilich kein Plädoyer für Nachsicht mit übergriffigem Verhalten, das ja selbstverständlich auch dann Schaden anrichtet, wenn es nicht bewusst und intentional ausgeübt wird. Der Punkt ist vielmehr, dass die Vorstellungen von Grenzen und respektvollem Umgang nicht nur individuell, sondern auch in der Gesellschaft insgesamt sehr verschieden sind. Das Problem dabei: Bei »Awareness« werden die Verhaltenscodes, der Habitus und die Wertvorstellungen der aktivistischen und »alternativen« Szene erfahrungsgemäß als allgemeiner und verbindlicher Maßstab gesetzt. Ob diese außerhalb der eigenen politischen Szene überhaupt verstanden oder geteilt werden, ist dabei meist egal. Das ist auch kaum verwunderlich: Die politischen Milieus, bei denen »Awareness« hoch im Kurs steht, gehen schließlich meist davon aus, dass gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse primär durch individuelles Verhalten zustande kommen, das folglich umfassend reflektiert und verändert werden muss. Damit wirken »Awareness«-Methoden allerdings auch schnell sozial ausschließend – und zugleich homogenisierend auf die eigene Szene. Wer deren Vorstellungen von Normalität und korrektem Verhalten nicht kennt, eckt schnell an, und die proklamierte »Parteilichkeit«, die dann gerne äußerst rigide vertreten wird, kann entsprechende Konflikte weiter anheizen. Insofern ist es kein Wunder, wenn »Awareness« außerhalb der linken Polit-Szene als etwas erscheint, mit dem nicht Übergriffe verhindert, sondern vor allem ein bestimmter Verhaltenskodex durchgesetzt werden soll.

Es entbehrt insofern nicht einer gewissen Ironie, dass »Awareness« so manche Veranstaltung entgegen des eigenen Anspruchs nicht inklusiver, sondern exklusiver macht – was zu dem bemerkenswerten Umstand beitragen wird, dass viele Partys in kommerziellen Clubs »diverser« zusammengesetzt sein dürften als die der »linken Szene«.

Achtsamkeit als Sanktionsinstrument

Noch deutlicher werden die Probleme, wenn »Awareness«-Teams in politischen Bündnissen oder auf Veranstaltungen als vermeintlich neutrale Struktur eingesetzt werden, die für ein achtsames Debattenklima Sorge tragen und etwa »dominantes« Redeverhalten unterbinden sollen. Damit wird die Auseinandersetzung über Diskussionsverhalten der kollektiven Debatte zumindest teilweise entzogen und an eine gesonderte Gruppe delegiert, von deren Einschätzung und Agieren dann viel abhängt: Sie ist dann immerhin mit der Autorität versehen, zu beurteilen, welches Agieren als akzeptabel und fair gelten kann, und entsprechend einzuschreiten (was den Beteiligten im Übrigen auch einiges an sozialem Kapital und Möglichkeiten zur Profilierung verschafft). Nicht selten verschiebt sich damit auch der Fokus der politischen Auseinandersetzung: Weg von der Überzeugungskraft politischer Analysen und Argumente hin zum Verhalten und der Art und Weise, wie diese vorgetragen werden.

Problematisch kann das vor allem sein, wenn »Awareness«-Teams auch dazu befähigt sind, Verhalten bündnisöffentlich zu rügen oder Maßnahmen anregen, mit denen die Kritisierten sozial und moralisch delegitimiert werden und denen sie als Gebrandmarkte auch – Stichwort »Parteilichkeit« – kaum noch widersprechen können. Erfahrungsgemäß entsteht dann schnell eine soziale Dynamik, in der die Beschuldigten inhaltlich und generell diskreditiert sind, weil die Form ihres Verhaltens missbilligt wird – was gerade in der traditionell klatsch- und tratschverliebten aktivistischen Szene schnell weitreichende Folgen hat. Auch hier sind nicht die Fälle klar machtförmigen Fehlverhaltens gemeint, sondern die, die eben nicht eindeutig sind: Wo beginnt »dominantes« Redeverhalten, wo liegt die Grenze zwischen scharfer Kritik und persönlichem Angriff, wann wird beim Sprechen zu viel Raum eingenommen? Auch da gibt es teils sehr unterschiedliche Vorstellungen – sie dürften etwa bei den meisten Gewerkschaftsversammlungen anders aussehen als auf den Treffen der »autonomen« Szene. »Awareness« wird dann sehr schnell zum bündnispolitischen Sanktionsinstrument, das – bewusst oder auch nicht – gegen missliebige Akteure eingesetzt werden kann, weil ihr Verhalten nicht dem Kodex der eigenen Szene entspricht. Dass davon erfahrungsgemäß bevorzugt Positionen und strategische Ansätze betroffen sind, die der eingangs umrissenen politischen Orientierung »Awareness«-freudiger Milieus entgegenstehen, dürfte kaum überraschen.

Dem mag man entgegenhalten, dass das ja nun nicht immer so sei und keineswegs automatisch passiere. Und das stimmt auch – trotzdem ist das letztlich naiv: Wer einmal erlebt hat, wie leicht »Awareness« eingesetzt werden kann, um politische Positionen sozial und moralisch zu diskreditieren, überlegt sich zweimal, ob prinzipielles Vertrauen in die edlen Motive der Verantwortlichen immer ausreicht.

Das Problem heißt Viktimismus

Insgesamt ist »Awareness«-Kultur Teil einer problematischen Entwicklung von Teilen der Linken und sozialen Bewegungen sowie deren Kultur in den letzten Jahrzehnten: Nämlich der Tendenz, Politik auf das Abwenden von individuellen Diskriminierungserfahrungen, »Betroffenheit« und Grenzverletzungen zu reduzieren. Zu beanstanden ist daran nicht nur, dass die Vorstellung von Gesellschaftsveränderung damit meist auf liberale Anerkennungs- und Repräsentationspolitik beschränkt wird – oft verbunden mit einer starken Tendenz zur Pädagogisierung des politischen Agierens, – auf deren Grundlage revolutionäre Eingriffe in die Eigentums- und Ausbeutungsverhältnisse aber nicht mehr möglich sind (Antidiskriminierungspolitik ist wichtig, taugt allein aber nicht zur Veränderung der Produktionsverhältnisse). Zu kritisieren ist vor allem auch die – teils implizit, teils explizit geäußerte – Annahme über Subjektivität, die mit »Awareness«-Politik einhergeht: Die Vorstellung ist nämlich nicht, dass wir alle prinzipiell widerstandsfähige und kämpferische, mündige und selbstbewusste Subjektive sind, sondern dass wir zuallererst einmal potentielle Opfer sind, die prinzipiell Schutz und Sicherheit bedürfen. Der Ausgangspunkt ist also nicht (Selbst-)Ermächtigung und Handlungsfähigkeit, sondern der Opferstatus. Dieser Viktimismus schwächt die Linke.

Daher rührt denn auch die der »Awareness«-Kultur inhärente Tendenz zur (Selbst-)Viktimisierung: Weil man davon ausgeht, dass immer und überall potentielle Grenzverletzungen und Übergriffe lauern, denen wir ausgeliefert sind, bedarf es größtmöglicher Achtsamkeit, um diese abwenden zu können. Das heißt nun nicht, dass es dazu keinen Anlass gebe: Wir leben in extrem brutalen und traumatisierenden Verhältnissen, deren Opfer wir ja tatsächlich sind. Es macht aber einen entscheidenden Unterschied, ob man dabei generelle Fähigkeit zur Gegenwehr oder den Opferstatus und »Betroffenheit« zum Ausgangspunkt politischen Handelns macht: »Awareness« kultiviert die Opferrolle und Betroffenheit, wo es vielmehr der Ermutigung und Ermächtigung zur Konfrontation unterdrückerischer Verhältnisse und Verhaltensweisen bedürfte. Es ist darum kein Zufall, dass ihr Fliehpunkt nicht die kollektive und selbstbewusste Gegenwehr von Unterdrückten, sondern der Rückzug aus der Gesellschaft in »Schutzräume« ist, in denen Diskriminierung und Grenzüberschreitungen abgewendet werden sollen.

Safe Spaces statt Opposition?

Letztlich ist »Awareness« damit auch das Projekt einer Linken, die auf Anerkennung, Repräsentation und Antidiskriminierungspolitik innerhalb der bestehenden Gesellschaftsordnung orientiert, statt auf kämpferische Opposition zu ihr. Politische Einflussnahme zielt auf die Veränderung von Kultur, Diskursen und Verhaltensweisen im Sinne der Vielfalt von Lebensweisen und Identitäten, nicht aber den Eingriff in unterdrückerische Eigentums- und Produktionsverhältnisse. Das zentrale Subjekt der Gesellschaftsveränderung ist dabei das eigene politische Lager und (sub-)kulturelle Milieu, nicht etwa die lohnabhängige Klasse oder Mehrheiten der Bevölkerung. Von diesen grenzt man sich im Zweifelsfall auch lieber ab, passen Verhaltens- und Orientierungsmuster nicht zu jenen der eigenen Szene und der eigenen Peergroup. Dass man die Gesellschaft damit zwar kulturell liberalisieren kann (was an sich zweifelsohne richtig ist), aber nicht grundlegend verändert, zeigt schon der Umstand, dass »Awareness« (ähnlich wie »Diversity Management« in Großkonzernen) dieser Tage problemlos von diversen Partylocations übernommen werden kann – die ansonsten aber nichts ändern und dabei mitunter auch auf die Konzepte und Beratungsangebote aus der »linken Szene« zurückgreifen.[5]

Es gibt allerdings auch reaktionäre Polemiken gegen liberale Identitäts- und Antidiskriminierungspolitik, gegen »Safe Spaces« und eben »Awareness«, die vor allem aus den Reihen der neoliberalen und Neuen Rechten kommen: Ihr Ausgangspunkt ist die sozialdarwinistische Dominanzkultur des neoliberal radikalisierten Kapitalismus und die Verachtung von Schwäche im Kampf aller gegen alle. Vor diesem Hintergrund wird die Linke als Haufen weinerlicher Hippies, empfindsamer Heulsusen und »Snowflakes« dargestellt, die gerne die Opferrolle einnehmen, um sich nicht dem Ernst der Verhältnisse zu stellen. Diese antilinke Rabulistik müssen wir zurückweisen, ohne ihren Gegenstand wiederum kritiklos zu verteidigen: Die linke und revolutionäre Kritik darf sich nicht gegen die Absicht von »Awareness« und »Schutzräumen« richten, der Brutalität des Kapitalismus überhaupt etwas entgegenzusetzen – sondern dagegen, dass das auf eine Art und Weise geschieht, die den Widerstand durch viktimistische Kultur und Politik desorientiert und Rückzug kultiviert, wo es Angriffslust bräuchte.

Wie also umgehen mit »Awareness«? Konkrete Maßnahmen zur Unterstützung bei übergriffigem und grenzüberschreitendem Verhalten auf Partys oder in Clubs sind ohne Frage gut und richtig. Aber auch dort und insbesondere bei politischen Veranstaltungen kann »Awareness« leicht zum Instrument werden, das mehr zur Durchsetzung des Verhaltenskodexes der eigenen politischen Szene dient und damit eher Konflikte schürt, statt sie abzuwenden. Selbstverständlich passiert das nicht immer und nicht automatisch – allerdings mit einer Häufigkeit, die Anlass zum grundsätzlichen Hinterfragen des Konzepts gibt. Insbesondere die Kultur der Viktimisierung, die sich in »Awareness« ausdrückt, muss überwunden werden: Nicht, weil es keinen Opferschutz bräuchte – sondern weil wir die Gedemütigten und Unterdrückten zum Zurückschlagen und zum Angriff ermutigen müssen, statt den Selbstausschluss aus der Gesellschaft zu propagieren.

Daniel Horn

Ein Artikel aus dem Zirkular “Hammel & Sittich”, Ausgabe 2, November 2022