Im »Kapital« und in anderen Schriften wie etwa den »Ökonomisch-Philosophischen Manuskripten« definiert Marx »Arbeit« als ein Vermögen des Menschen, das sich vor allem durch vorausschauendes Denken bzw. Planung auszeichnet. Arbeiten Tiere überhaupt?
Die Auffassung, Tiere arbeiteten laut Marx und Engels nicht, ist falsch. Arbeit als Umformung der äußeren Natur, um nützliche Dinge herzustellen, die der Bedürfnisbefriedigung dienen, ist kein Alleinstellungsmerkmal des Menschen. Entsprechend schreibt Marx im ersten Band seines Hauptwerks »Das Kapital« völlig selbstverständlich, dass ein Pferd »tagaus, tagein nur 8 Stunden arbeiten« (MEW 23: 246) könne. Allerdings unterscheiden sich die Arbeitsvermögen von Menschen und Tieren natürlich gravierend.
Im »Kapital« unterscheidet Marx zwischen »menschlicher Arbeit« und »ihren ersten instinktartigen Formen« (MEW 23: 192–3) bei Tieren. Mit dieser Differenzierung wird nicht nur auf die augenfälligen Unterschiede zwischen den Arbeitsvermögen hingewiesen. Es wird auch anerkannt, dass Tiere arbeiten, wenngleich nicht in derselben Art und Weise. In den »Pariser Manuskripten« spricht Marx ebenfalls davon, dass Tiere »produzieren« (MEW EB 1: 516–7).
Den Unterschied zwischen den Arbeitsvermögen machen Marx und Engels an mehreren Eigenschaften fest. Am bekanntesten ist tatsächlich die »vorausschauende Planung« beziehungsweise der Bewusstseinsgrad bei der Arbeit. Marx pointiert diese Differenz im »Kapital« unter anderem mit dem Vergleich zwischen Spinne und Weber. Spinnen knüpfen, so legen es wissenschaftliche Studien bis heute nahe, ihre Netze nahezu von Geburt an, was darauf hindeutet, dass sie diese nicht bewusst planen und dann umsetzen. Das sieht bei menschlichen Architekten schon anders aus.
Marx’ zweites Beispiel ist heute schon weniger überzeugend. Ihm zufolge beschämten Bienen durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister, aber anders als dieser täten sie dies eben kopf- und planlos. Erwiesenes Lernen von Baufähigkeiten, Reparaturen am Bienenstock unter wechselnden Material- und Lagebedingungen, verschiedene Bautechniken und Formen von Bienenstöcken in Kombination mit Nachweisen für Denkprozesse machen Bienen zwar nicht zu Architekturkünstlern wie Wesnin, Melnikow oder Gaudí. Aber sie konstruieren ihre Behausung auch nicht lediglich auf Basis eines programmierten Skripts namens Instinkt.
Daher betont Engels tatsächlich zu Recht, »daß es uns nicht einfällt, den Tieren die Fähigkeit planmäßiger, vorbedachter Handlungsweise abzustreiten« (MEW 20: 452). In der Tat spricht die jüngere Verhaltensforschung dafür, dass es im Tierreich durchaus nicht gänzlich ohne »Vorausschau« und »Planung« bei der Arbeit zugeht, obgleich diese nicht die menschliche Qualität erreichen.
Eine andere Eigenschaft, anhand der man Arbeitsvermögen differenzieren kann und auf die Engels hinweist, ist die »Verfertigung von Werkzeugen« (MEW 20: 449). Allerdings hat die Verhaltensforschung mittlerweile belegt, dass nicht nur Menschen Werkzeuge anfertigen. Sowohl für einige Spezies Menschenaffen als auch für Krähen- und Rabenarten ist die Werkzeugherstellung nachgewiesen. Es gibt sogar Fische, die nicht nur Werkzeuge nutzen, sondern bei denen auch eine rudimentäre Werkzeugproduktion beobachtet wurde.
Die vielleicht entscheidende und immer noch gültige Differenz zwischen den verschiedenen Arbeitsformen besteht darin, dass »der Mensch universell produziert« (MEW EB 1: 517), während Tiere »nur nach dem Maß und dem Bedürfnis der species« (MEW EB 1: 517) verfahren.
Dass den Menschen dies gelungen ist, ist nicht ausschließlich durch biologisch-anthropologische Eigenschaften zu erklären. Arbeit ist nicht nur das Vermögen der Naturumformung zwecks Bedürfnisbefriedigung. Sie ist auch immer gesellschaftliche Arbeit, also Arbeit unter historisch-sozialen Produktions- und Verteilungsverhältnissen. Nun gibt es auch im Tierreich Arbeitsteilung, Tiere kooperieren – teils sogar über Speziesgrenzen hinweg – bei der Arbeit. Mit anderen Worten, auch hier gibt es offenbar art- und gruppenspezifische Formen der Produktion und Verteilung.
Aber es ist unbestreitbar, dass die Menschen sich von den Tieren unterscheiden, »sobald sie anfangen, ihre Lebensmittel zu produzieren« (MEW 3: 21). Das heißt, durch die Art und Weise, wie die Menschen ihre Arbeit sozial organisieren und dabei anthropologisch-biologische mit sozialen Fähigkeiten und Beziehungen verbinden, schaffen sie durch ihre soziale Praxis eine Differenz zu den Tieren. Obgleich sie in einer besonderen, artspezifischen und sozialen Form Natur zur eigenen Bedürfnisbefriedigung umformen, sind die Menschen im Tierreich nicht die einzigen, die arbeiten.