Interview: Christof Mackinger
Vor drei Jahren sind Sie mit dem Bündnis »Marxismus und Tierbefreiung« angetreten, um »eine theoretische und praktische Vereinigung« der marxistischen Linken und der Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung voranzutreiben. In einem Thesenpapier haben Sie dies unlängst ausgeführt, und bei Ihrer kommenden »Osterakademie« in Hamburg wollen Sie die Diskussion vertiefen. Nun ist Marxismus vielen ein Begriff. Was ist unter Tierbefreiung zu verstehen?
Mit dem Begriff wird der Flügel jener sozialen Bewegung bezeichnet, die sich für ein anderes Verhältnis zu Tieren in der Gesellschaft einsetzt. Die Tierbefreiungsbewegung lehnt »Tierwohl« und den klassischen »Tierschutz« ab. Tierwohl ist eine Propagandavokabel der Industrie und der ihr wohlgesonnenen Staatsapparate. Sie meint, dass die Konzerne minimale Änderungen im Umgang mit Kühen, Schweinen usw. vornehmen, sich aber faktisch nichts Wesentliches ändert. Mit dem Tierschutz ist es ähnlich. Wir wollen aber nicht größere Käfige, kürzere Tiertransporte und das Ende der offenkundigsten Misshandlungen, sondern das Schlachten beenden und die Tiere befreien: »Artgerechte Haltung« oder »Nutzung« gibt es nicht. Tiere sollen keine Produktionsmittel sein und nicht wie Gratisproduktivkräfte behandelt, für Profit getötet und als Waren verhökert werden.
Täglich sterben Menschen im Mittelmeer, der Sozialstaat wird ab- und der Überwachungsstaat ausgebaut. Warum setzen Sie sich dann ausgerechnet für Tiere ein?
Wir lehnen es ab, die verschiedenen Probleme des Klassenkampfs gegeneinander auszuspielen. Die herrschende Klasse macht aus allem Geld, was es auf diesem Planeten gibt. Wir können ihr nicht einfach ein zentrales Feld wie die Tierindustrie überlassen. Die Spaltung nutzt dem Gegner, nicht uns. Im übrigen engagieren sich die Mitglieder unseres Bündnisses ebenso etwa gegen die imperialistischen Kriege der NATO und der EU.
Aber warum soll sich die Linke für Tierbefreiung interessieren, was hat das mit Marxismus zu tun?
Der historische Materialismus und Marx’ Analyse der kapitalistischen Produktionsweise sind ein Werkzeug, mit dem man die Ausbeutung von Arbeitern, Tieren und der Natur im Kapitalismus theoretisch begreifen und ihre Befreiung begründen kann. Ein Blick ins Marxsche »Kapital« zeigt zudem, dass die Kapitalisten neben den lohnabhängigen Klassen auch die Natur und die Tiere ausbeuten – wobei sich die Formen unterscheiden. Auf Basis der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie können wir zudem eine Strategie für eine kollektive antikapitalistische Praxis entwickeln, in der Tiere zwar nicht Subjekte, aber Objekte der Befreiung sind.
Wenn man sich die Fleischindustrie anschaut, gibt es zahlreiche Gründe, warum die antikapitalistische Linke und die Tierbefreiungsbewegung gemeinsam für ihre Abschaffung kämpfen sollten. Marx hat einmal, Thomas Müntzer zitierend, gesagt, auch die Kreatur müsse frei werden.
Wie stellen Sie sich eine gesellschaftliche Befreiung der Tiere vor?
Die Befreiung der Tiere ist angesichts des heutigen Stands der Produktivkräfte problemlos realisierbar. Sie benötigt aber einen Bruch mit den kapitalistischen Eigentumsverhältnissen. Nur wenn uns die Schlachthäuser gehören, können wir sie dichtmachen oder einer Konversion hin zur gesellschaftlich sinnvollen Produktion unterziehen. Da gibt es keinen Unterschied zur Kohle-, Waffen- oder Kulturindustrie.