17.10.2024

»Tiere können sich nicht selbst befreien«

Anders als Menschen beziehungsweise bestimmte ausgebeutete und beherrschte Menschengruppen (Klassen, Frauen, Schwarze, Homosexuelle und andere) können sich die Tiere gar nicht selbst befreien. Sie sind deshalb weder Subjekt noch Objekt der Befreiung.

Es stimmt, dass Tiere sich nicht selbständig befreien können. Dazu fehlen ihnen die Mittel – in Theorie und Praxis. Auch haben die wenigsten Tiere eine Vorstellung davon, was es heißen könnte, ein Leben in Frieden zu verbringen. Es trifft ebenfalls zu, dass in diesem Punkt ein wesentlicher Unterschied zwischen Menschen und Tieren besteht. Aber auch wenn sich subalterne Gruppen von Menschen historisch oft selbständig organisiert und für die eigenen Interessen gekämpft haben, lässt sich daraus nicht logisch ableiten, dass Tiere in Ausbeutung und Knechtschaft belassen werden sollten.

Zunächst muss man festhalten, dass die große Mehrheit der Menschen aufgrund ihres Mensch-Seins prinzipiell über die Fähigkeiten zur Selbstbefreiung verfügen. Menschen können grundsätzlich intellektuell begreifen, wie ihre Gesellschaft organisiert ist, diese kollektiv diskutieren und entsprechend eines gemeinsam entwickelten Plans praktisch reorganisieren, so dass sie für alle gerecht ist. Manche Tiere und bestimmte Tier-Spezies mögen über einzelne oder mehrere der dazu nötigen Fertigkeiten verfügen. Aber ihr Vermögen reicht weder individuell noch kollektiv an das der Menschen heran. Gleichwohl würde kein fortschrittlicher Mensch auf die Idee kommen, die Menschen von der Befreiung auszuschließen, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht (mehr) die zur Selbstbefreiung nötigen Eigenschaften aufweisen.

Entscheidend für die Befreiung ist vielmehr, dass die Ausbeutung und Herrschaft des Kapitals sich nicht nur auf (lohnabhängige) Menschen erstreckt, sondern auch auf Tiere und die Natur und dies in zunehmend intensiver und extensiver Form. Allein deswegen ist es notwendig, nicht »nur« Menschen oder die ausgebeutete Klasse zu befreien.

Darüber hinaus sind die Fähigkeiten einzelner Tierspezies besonders im Falle der vom Kapital ausgebeuteten und unterdrückten »Nutztiere« ein weiteres Argument für (und nicht gegen) ihre Befreiung. Denn Rinder, Schweine, Hühner und so weiter empfinden auf ihre jeweils artspezifische Weise Glück und Leid. Für sie und ihr Leben machte Befreiung also einen Unterschied in der Praxis, auch wenn sie in der Theorie keine Idee davon haben mögen. Anders ausgedrückt, spätestens mit dem Kapitalismus haben sich die Objekte systemischer Ausbeutung und Herrschaft erweitert und mit ihnen die Objekte der Revolution. Nicht alle Objekte der Revolution sind auch ihre Subjekte und nicht alle ihrer Objekte sind Menschen. Trotzdem müssen sie befreit werden. Entsprechend ist es nur konsequent, wenn Marx mit Thomas Müntzers Worten fordert, »auch die Kreatur müsse frei werden« (MEW 1: 375).