Aber der Mensch war in seiner evolutionären Entwicklung auf den Fleischkonsum angewiesen!
Diesen Einwand – »der Mensch ist nicht ohne Fleischnahrung zustande gekommen«[1] – hat bereits Engels gegenüber den »Herren Vegetarianern« des vorletzten Jahrhunderts eingebracht. Auch heute ist die Vorstellung, dass die ausgedehnte karnivore Lebensweise »einen wesentlichen Schritt zur Menschwerdung« darstellte, weit verbreitet.
Viele spezifisch menschliche Eigenschaften, etwa größere Gehirne, traten das erste Mal beim Homo erectus vor etwa zwei Millionen Jahren auf. Der unter Paläoanthropologen gängigen »Meat-Made-Us-Human«-Hypothese zufolge war es dessen erhöhter Verzehr von Fleisch, der u.a. die Ausbildung seines größeren Hirnvolumens ermöglichte. Die veränderten Ernährungsgewohnheiten, so die Annahme, ermöglichten, beziehungsweise lenkten die evolutive Entwicklung dieser Homini.
Mit einer Anfang letzten Jahres publizierten Studie ist die bisherige Beweisgrundlage für das Narrativ, dass der Mensch in seiner evolutionären Entwicklung auf den ausgedehnten Fleischkonsum angewiesen war, stark erschüttert worden.[2] Man fand keinerlei Hinweise für eine effektive Zunahme des Verzehrs von Fleisch in der Zeitspanne zwischen 2,6 und 1,2 Millionen Jahren vor der heutigen Zeit.
Schlussendlich geht es bei diesem Einwand darum, die karnivore Lebensweise zu naturalisieren, indem sie als menschliche Gegebenheit hingestellt wird. Doch selbst wenn der Einwand geschichtlich korrekt wäre, so bliebe er trotzdem nur das: eine historische Tatsache, der der heutige Stand der Produktivkräfte einen Platz im Naturhistorischen Museum zugewiesen hat: Mit dem Wissen und den technischen Mitteln des 21. Jahrhunderts ist das Festhalten an der Fleischproduktion und dem Fleischkonsum weder notwendig noch natürlich, sondern geschichtlich überholt, unvernünftig und anti-fortschrittlich.
Mehr dazu im Beitrag: »Fleisch und menschliche Evolution«
[1] MEW 20: 449.