Tierversuche politisch abgesichert

Schweizer Volksinitiative gegen Vivisektion krachend gescheitert

Am 13. Februar 2022 wurde in der Schweiz über die Volksinitiative »Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot – Ja zu Forschungswegen mit Impulsen für Sicherheit und Fortschritt« abgestimmt. Treibende Kraft hinter der Vorlage war Renato Werndli, der dem Trägerverein IG Tierversuchsverbots-Initiative vorsteht. Der engagierte Tierrechtsaktivist und Hausarzt wollte mit seinen Mitstreitern dafür sorgen, dass Tierversuche zukünftig verboten wären und somit unter Strafe gestellt werden könnten. Sie hatten zum Ziel, dass der Tierschutzartikel in der Bundesverfassung entsprechend geändert wird. Neu sollte es dort unter anderem heißen: »Tierversuche gelten als Tierquälerei bis hin zum Verbrechen.« Und weiter: »Es muss gewährleistet sein, dass tierversuchsfreie Ersatzansätze mindestens dieselbe staatliche Unterstützung erhalten wie vormals die Tierversuche.«[1]

Das Begehren wurde jedoch rigoros abgeschmettert. Bei einer Stimmbeteiligung von rund 44,2 Prozent befürworteten lediglich 20,9 Prozent der Abstimmungsteilnehmer das Anliegen, ganze 79,1 Prozent waren dagegen. Die Initiative hatte von Beginn an einen äußerst schweren Stand. Keine Partei unterstützte sie politisch und im Parlament hatten die 200 Nationalräte geschlossen gegen ihre Annahme votiert. Der Wirtschaftsverband Chemie Pharma Life Sciences proklamierte, die Initiative sei »extrem« und führe »nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft faktisch zu einem Forschungsverbot«. Dies war schließlich auch der allgemeine Tenor, der den Abstimmungskampf quer durch alle politischen Lager bestimmte. Die Versuchsverbotsinitiative riskiere die Volksgesundheit, ließ Economiesuisse, der Dachverband der Schweizer Wirtschaft, verlautbaren. In der gesamten Schweiz hingen Plakate, mit denen die Angst verbreitet wurde, dass es bei Annahme der Initiative keine Medikamente oder Impfstoffe mehr geben würde. Renato Werndli und seine Mitstreiter standen inmitten der Coronakrise also einer geeinten Gegnerschaft aus Wirtschaft und Politik gegenüber. Bereits einen Monat vor der eigentlichen Volksabstimmung gestand der 68-jährige Vivisektionsgegner aus dem Kanton St. Gallen öffentlich die Niederlage ein, die dann auch eintrat.

Inhaltlich richtig, taktisch falsch

Es ist längst bekannt, dass es bessere und sicherere Forschungsmethoden gibt als die Anwendung am »Tiermodell«. Tierversuche bieten keine medizinische Sicherheit. 95 Prozent der im Tierversuch für sicher und wirksam befundenen Arzneien fallen durch, wenn sie am Menschen getestet werden, sagen die Ärzte gegen Tierversuche schon seit vielen Jahren.[2] Trotzdem werden in der Alpenrepublik jährlich rund 200 Millionen Schweizer Franken an Steuergeldern in die Tierversuchsforschung gesteckt, während für Ersatzansätze gerade Mal eine halbe Million bereitgestellt wird.[3] Hier benötigt es einen radikalen Paradigmenwechsel. Die Tierversuchsverbotsinitiative ist bei diesem Versuch jedoch krachend gescheitert. Waren die Forderungen der Reform inhaltlich zwar richtig, taktisch war der Vorstoß falsch. Zu ihrer Durchsetzung fehlten offensichtlich die gesellschaftliche Bereitschaft, die politischen, ökonomischen und medialen Bündnispartner sowie schlagkräftige Exponenten, welche sich auf dem parlamentarischen Parkett und im Abstimmungskampf durchzusetzen wissen.

Die Niederlage an der Urne wird den Kampf gegen Tierversuche weiter erschweren. Denn die deutliche Abfuhr, welche das Stimmvolk diesem Anliegen erteilt hat, stärkt die Tierversuchslobby, gibt ihr ideologischen Rückenwind und garantiert ihr vorerst politisch eine sichere Zukunft. Doch so klar das Verdikt ist: Der Kampf gegen Tierversuche muss weitergehen. Staatliche und privatwirtschaftliche Institutionen und Einrichtung müssen verpflichtet werden, Tierversuche zwingend durch andere Forschungsmethoden zu ersetzen, nicht bloß zu reduzieren oder zu verfeinern. Es braucht strikte Regelungen, damit Gelder in tierversuchsfreie Forschung und ihre Entwicklung fließen statt in Vivisektionslabore. Letztere müssen ihre tierquälerischen Methoden verpflichtend zugunsten von Alternativen erneuern und modernisieren. Staatliche bzw. öffentliche Forschungsprogramme für chemische, militärische und ähnliche Zwecke, bei denen Versuche an Tieren vorgenommen werden, müssen gestoppt werden. Tierversuchslabore gehören geschlossen und Tierversuche verboten.

Shedea Studer

Ein Artikel aus dem Zirkular “Hammel & Sittich”, Ausgabe 1, Mai 2022