Vegankonsum statt Klassenkampf

Wie zwei Dokumentarfilme den kapitalismuskonformen Umgang mit Naturzerstörung und Tierausbeutung propagieren

In den letzten zehn Jahren sind zahlreiche Filme über Ökologie, Veganismus und Tierrechte erschienen, die durch Streamingdienste wie Netflix teilweise ein großes Publikum erreichen konnten. So auch die Dokumentationen »Cowspiracy« (USA, 2014) und »Dominion« (AUS, 2018). Erstere zeigt die von der Fleischindustrie verursachte Naturzerstörung auf und problematisiert, dass Öko-NGOs zu diesem Problem schweigen. Letztere thematisiert die Ausbeutung fühlender Kreaturen in der Tierindustrie. Beide verfolgen also ehrenwerte Anliegen – sie suggerieren ihrem Publikum letztlich jedoch kapitalismuskonforme Lösungen für Probleme, die vom Kapitalismus verursacht sind.

Horror der Tierindustrie und beredtes Schweigen

Die Filmemacher haben ihren Dokus jeweils eine ähnliche Struktur gegeben: Der Problemaufriss ist in beiden Fällen derart spannungsgeladen, dass beim Zuschauer das Verlangen nach einer schnellen Lösung erzeugt wird. In »Cowspiracy«, produziert von Kip Andersen und Keegan Kuhn, wird die Dramatik über zwei einander kontrastierende Erzählstränge erzeugt: Zunächst wird gezeigt, wie sich Repräsentanten unterschiedlicher US-Umweltorganisationen in Interviews weigern, zu den ökologischen Verheerungen, die die Tierindustrie hervorbringt, Stellung zu beziehen. Um ihr Schweigen zu skandalisieren, stellen Andersen und Kuhn diesen Sequenzen eine Flut von Daten und Expertenaussagen gegenüber, die die Folgen der Fleisch- und Milchproduktion für die Natur dokumentieren. Der Effekt: Zuschauer können sich kaum mehr dem Gedanken entziehen, dass schleunigst etwas gegen diese Destruktion unternommen werden muss.

»Dominion« von Chris Delforce und Shaun Monson hat zwar einen anderen inhaltlichen Fokus, nämlich das Leiden der Tiere, arbeitet aber mit einer ähnlich einnehmenden Narration: In 18 Kapiteln zeigt der Film, wie verschiedene Tierspezies ausgebeutet werden, darunter industriell gemästete Schweine, Hühner und Fische sowie Tiere in der Fell- und Unterhaltungsindustrie. Die Aneinanderreihung aufwändig recherchierter Bilder, die das Elend der Tiere eindrücklich visualisieren, lässt den dringenden Wunsch aufkommen, ihre Qual oder zumindest der Film möge endlich enden.

Katharsis und affirmative Lösungen

Beide Filme schaffen aber nicht nur das Bedürfnis, das Problem der Naturzerstörung respektive des Tierleids aus der Welt zu schaffen. Sie bieten dem Zuschauer auch gleich Handlungsansätze an: »Cowspiracy« führt das beredte Schweigen der Öko-NGOs zu Recht auf die politische und ökonomische Macht der Tierindustrie zurück. Statt jedoch zum Kampf gegen genau diese Industrie und ihre Profiteure aufzurufen, stellt der Film dann den veganen Konsum als Patentrezept zur Lösung der Probleme vor.

»Dominion« löst die Spannung dadurch, dass zum Schluss des Films angenehmere Bilder von Tieren eingespielt werden. Eine Stimme aus dem Off erklärt den Zuschauern dazu, dass Tierausbeutung eine Folge des Speziesismus sei. Auch hier wird schlussendlich bloß ein veganer Lebensstil, gepaart mit antispeziesistischem Denken, als Ausweg dargestellt.

Verantwortliche und Profiteure werden ausgeblendet

Schnelle Schnitte, Bombardements mit Daten und Fakten bei »Cowspiracy« und die Montage schwer zu ertragender Bilder bei »Dominion« verstellen letztlich die Möglichkeit, die gezeigten Probleme in einen Zusammenhang mit der kapitalistischen Produktionsweise zu bringen. Der Publikumsblick wird, der Argumentationslogik der Filme folgend, auf »Lösungen« verengt, die weder die Tierindustrie noch den Kapitalismus ernsthaft bedrohen: eine Veränderung des Denkens sowie der individuellen Lebensweise.

Die zentralen Verantwortlichen für Tierausbeutung und Naturzerstörung werden so weitgehend ausgeblendet: die Eigentümer und Manager der Tierindustrie. Zwar heben die Filmemacher das Ausmaß des Tierleids und der ökologischen Verwerfungen eindrücklich hervor, und sie sprechen sogar vage die Profitorientierung als Problem an. Gleichzeitig unterlassen sie es aber, die Profiteure und das System, das ihnen die Ausbeutung der Tiere erlaubt, beim Namen zu nennen. Beide Dokumentationen stellen ferner kaum einen Bezug zu Tierrechts- oder Umweltbewegungen her. Ganz zu schweigen von den Arbeitern in der Tierindustrie, deren (Über-)Ausbeutung komplett ignoriert wird. Bei »Dominion« kommen die Arbeiter sogar nur in der Rolle der Täter daher.

Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, warum Dokus wie »Cowspiracy« Eingang in die Welt der Streamingdienste gefunden haben: Moralismus, Konsumkritik und vegane Lebensweise sind akzeptabel, Systemkritik, Klassenkampf und revolutionäre Realpolitik für die Befreiung von Mensch und Tier hingegen nicht.

Monika Kern

Ein Artikel aus unserer Zeitung “Das Fleischkapital”.