Ode an die Revolution (1918)

Dir,
ausgepfiffene,
von Kanonaden verlachte,
dir,
schwärenbedeckt vom Bajonettgezänk,
dir zelebriere ich
die trotz Schimpf hochgebrachte
Ode mit dem »Oh!«
wie ein Feiertagsgetränk.
Oh, du animalische!
Oh, du infantile!
Oh, kleinkrämerische!
Oh, gewaltige!
Namen gäbs für dich – viele, viele!
Welchen Ausgang nimmst du noch, doppelgestaltige?
Stehst du als stattliches Bauwerk auf
oder – bloß als Ruinenhauf?
Den Maschinisten,
umweht von Kohlenstaubschwaden,
den Erzhäuer, der sich durchschlägt durch den Berg,
lobpreist du
mit Weihrauch und gar vielen Gnaden,
preisest das einfach menschliche Werk.
Steilt morgen
der Narr in Christo
sein Domdach funeber,
ein um Schonung bettelnder Heils-Demiurg,
so zerschmeißt dein Sechszoll-Rohr,
der stumpfnasige Eber,
das ganze Jahrtausend der Kreml-Burg.
»Gloria!«
Erstickte Sirene in piepsigen Dosen.
Der Todesfahrt bänglicher Röchellaut.
Aufs sinkende Schlachtschiff
schickst du Matrosen,
dorthin,
wo vergessen
ein Katerchen miaut.
Da! …
Menschengewühl und trunkene Choräle.
Den Kerls-Schnurrbart hochgezwirbelt und forsch,
stößt du mit dem Kolben grauhaarige Admiräle
kopfüber über Bord
von der Brücke zu Helsingfors.
Die gestrigen Wunden zu lecken ists Zeit;
da mein Blick den geöffneten Venen begegnet.
Dich verdammt der Spießerschrei:
»Dreimal sei vermaledeit!«
Ich übertäub ihn
mit dem Poetenwort:
»Viermal sei gepriesen und gesegnet!«

Quelle: Majakowski Werke 1.1, 59–60

Zum Artikel »Tiefste Menschlichkkeit. Zum Motiv der Tierrettung in Wladimir Majakowskis »Ode an die Revolution« aus unserer Zeitung “Das Fleischkapital”.