Zeitungsprojekt wirbt für eine Allianz gegen das Fleischkapital
Von Matthias Rude, junge Welt
Wie ein Brennglas zeigt die Fleischindustrie die Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse eines Systems auf, dem Arbeiter, Tiere und Natur als bloße Mittel zur Profitmaximierung dienen. Schlaglichter auf einige Aspekte dieses »Eldorados für die skrupellosesten Ausbeuter des modernen Kapitalismus« wirft das Bündnis Marxismus und Tierbefreiung, ein Zusammenschluss von Aktiven aus der kommunistischen Linken und der Tierbefreiungsbewegung aus Deutschland und der Schweiz, in seinem Zeitungsprojekt Das Fleischkapital.
Dass in deutschen Schlachthöfen vor allem migrantische Werkvertragsarbeiter aus Osteuropa zu Billiglöhnen schuften, ist lange bekannt. Er und seine Kollegen seien »wie Sklaven behandelt« worden, berichtet ein Rumäne im Interview. Aufgrund der Coronaausbrüche in den Fleischfabriken rückten die katastrophalen Arbeitsbedingungen so stark in die Öffentlichkeit, dass die Politik sich bemüßigt sah, aktiv zu werden. Die Bundesregierung reagierte mit dem neuen »Arbeitsschutzkontrollgesetz«, das Leiharbeit beim Schlachten und Zerlegen verbietet – theoretisch, denn die Fleischlobby konnte zahlreiche Ausnahmeregelungen erwirken.
Dass die Fleischkapitalisten Milliarden anhäufen können, liegt nicht nur an der effizienten Ausbeutung von Arbeitern und Tieren – sie ziehen etwa auch »aus der Aufteilung der Welt in imperialistische Zentren und Peripherien ihren Vorteil«, so das Bündnis. Die Liste der damit verbundenen Probleme ist lang. So berichtet beispielsweise die brasilianische Kommunistin und Aktivistin Maila Costa, wie »Indigene getötet oder vertrieben werden, damit Landeigentümer Soja anbauen können«. Die Produktion von Soja als Futtermittel für den globalen Export geht mit der Vernichtung von Regenwald einher. Dies schadet nicht nur dem Klima, sondern bedingt auch die Zunahme von Zoonosen – zusammen mit den Mast- und Fleischbetrieben als Brutstätten für Seuchen sorgt das dafür, dass die nächste Pandemie nur eine Frage der Zeit ist.
Es handelt sich also um Auswirkungen, die längst auch für die Mehrheit der Bevölkerung des Planeten eine ernsthafte Bedrohung darstellen. Dass Fleisch trotzdem noch breit gesellschaftlich akzeptiert ist, erklärt der Autor Christian Stache in Rückgriff auf den Hegemoniebegriff Gramscis: Das Fleischkapital trachte, etwa über Werbekampagnen, danach, »seine Geschäfte und Existenz in der Alltagskultur der Menschen zu verankern«. Revolutionäre Kunst sehe sich heute daher, wie Susann Witt-Stahl anmerkt, mit einer der größten Herausforderungen der Geschichte konfrontiert: Es gehe um nichts weniger als »auf die höchste Not des Planeten Erde vor dem Klimakollaps und Ökozid, der Natur und allem, was in ihr atmet, aufmerksam zu machen und die Solidarität des Lebens einzuklagen«.
Schon immer gab es Linke, für die der Einbezug von Tieren und Natur in ihre Forderungen die logische Fortsetzung der großen emanzipatorischen Imperative war. Zunehmend zeigt sich, dass dies zur schlichten Notwendigkeit wird, wenn wir unsere eigenen Lebensgrundlagen nicht zerstören wollen. Noch liegt, wie das Bündnis feststellt, eine Allianz derer, die »sich gegen das Fleischkapital und für ein wirklich revolutionäres und zivilisatorisches Projekt« zusammentun, in weiter Ferne. Sie müsse aber heute geschmiedet werden – damit morgen eine vernünftig eingerichtete Gesellschaft ohne Ausbeutung und Naturzerstörung Wirklichkeit werden könne.